Stress einfach wegatmen

Pranayama: Den Stress einfach wegatmen

Ein Post von Gastautorin Julie Freudiger

Inhale – Exahle. Das sind wohl die meistgehörten Worte in einer Yogastunde. Warum eigentlich? Und was hat es mit den Atemübungen, oder eben mit Pranayama, auf sich? Die uralte Philosophie und die moderne Wissenschaft sind sich einig: Unser Atem ist der Schlüssel zur Entspannung, für eine gute Gesundheit und mehr Konzentration. Vier Pranayama-Übungen für deine Yogapraxis – und deinen Alltag.

«Eine Yogalehrerin hat mir gesagt, ich müsse lernen, richtig zu atmen. Ich atme offenbar falsch.» Als mir das vor ein paar Jahren eine Freundin sagte, wusste ich nicht recht, was antworten. Zwar praktizierte ich zu der Zeit schon Yoga, ich kannte auch einige Atemübungen, welche die Yogalehrer manchmal in die Stunden einbauten. Aber was genau der Zweck davon war, konnte ich noch nicht so richtig fassen. Warum sollte man lernen, zu atmen? Das passiert doch alles von alleine, dachte ich. Ja und nein.

Der Atem als Spiegel der Seele

Die meiste Zeit atmen wir tatsächlich unbewusst und automatisch. Und meistens eher flach. Im Gegensatz zu anderen Körperfunktionen, wie etwa der Verdauung und dem Herzschlag, können wir die Atmung aber bewusst steuern. Das ist der Schlüsselmoment. Denn wenn wir gestresst und angespannt sind, atmen wir schnell und oberflächlich. Achte dich einmal darauf: Es ist schlicht unmöglich, unter Stress ruhig zu atmen. Umgekehrt geht die Atmung tief und langsam, wenn sich der Körper entspannt. Wie man atmet, sagt also viel über die körperliche und psychische Befindlichkeit aus.

Die moderne Perspektive: Was Atemübungen bewirken

Aus wissenschaftlicher Perspektive erklärt sich der Zusammenhang zwischen Atmung und Stress mit dem vegetativen Nervensystems. Vereinfacht gesagt gibt es einen «Anspannungsnerv», den Sympathikus, und einen «Entspannungsnerv», den Parasympathikus. Ist man erregt, angespannt und gestresst, wird der Anspannungsnerv aktiviert. Der Körper bereitet sich darauf vor, Höchstleistung zu erbringen. So beschleunigt sich beispielsweise der Herzschlag, die Atmung geht schneller und wird oberflächlicher. Im Entspannungszustand erholt sich der Körper wieder, das Herz schlägt langsamer, die Atmung wird ruhiger und tiefer.

Diese automatische Reaktion können wir nun willentlich herbeiführen: Eine tiefe und ruhige Atmung, insbesondere mit Betonung auf der Ausatmung, signalisiert dem Körper, sich zu beruhigen. Der Stresslevel sinkt. Es funktioniert also tatsächlich: Wir können Stress wegatmen. Zumindest als Erste-Hilfe-Massnahme.

Pranayama – Zusammenführung von Körper und Geist

Aus Sicht des Yoga ist Pranayama das Bindeglied zwischen Körper und Geist. Es ist das vierte Glied auf dem achtgliedrigen Pfad des Yoga. In aller Kürze: Die ersten zwei Glieder sind «ethische» und «soziale» Leitplanken, der nächste Schritt sind die Asanas, also die körperlichen Posen. Danach folgen die Atemübungen. Ab dem fünften Glied geht es um die Arbeit mit dem Geist.

Pranayama setzt sich zusammen aus dem Wort «Prana», also Lebensenergie, und «Ayama», was soviel heisst wie Kontrolle. Mit Pranayama lernen wir also, unsere Atmung bewusst zu steuern und wahrzunehmen. Die Lebensenergie wird aktiviert und in den Fluss gebracht. Das Fokussieren auf die Atmung schult zudem die Achtsamkeit. Man ist ganz im Hier und Jetzt und konzentriert sich auf die Atemzyklen – und schweift gedanklich nicht schon wieder zum nächsten Termin ab. Vor allem das Zählen der Atemzyklen unterstützt diesen Effekt.

Vier Pranayama-Übungen zur Entspannung

Keine Bange, Pranayama-Übungen müssen nicht kompliziert sein. Das Wichtigste ist, dass dein Atem dabei immer unangestrengt fliesst. Vor allem bei den folgenden Atemtechniken, die zur Entspannung gedacht sind. Denn es gibt auch aktivierende Pranayama-Übungen. Doch mehr dazu ein anderes Mal.

 

Als Vorbereitung vor jeder Übung:

  • Achte auf eine ruhige Umgebung.

  • Auf einem Stuhl: Setz dich mit geradem Rücken hin und stelle die Füsse flach nebeneinander den Boden.

  • Auf dem Boden: Achte darauf, dass es bequem ist. Am besten, du sitzt auf ein (Meditations-)Kissen, damit deine Hüfte höher als deine Knie sind. Rücken sollte gerade sein.

  • Arme und Schulter sind entspannt.

  • Atme tief, regelmässig und langsam

 

Bauchatmung

Viele Menschen haben heutzutage die Bauchatmung verlernt und atmen nur oberflächlich im Brustkorb. Mit dieser Übung wird das Zwerchfell bewusst eingesetzt und die Lungen vollständig mit Sauerstoff gefüllt.

  • Lege eine Hand auf den Bauch.

  • Atme tief und langsam durch die Nase ein und spüre, wie sich deine Bauchdecke nach vorne wölbt.

  • Lass den Atem durch die Nase passiv ausströmen. Die Bauchdecke senkt sich.

  • Die Ausatmung ist länger als die Einatmung.

  • Ein Atemzyklus dauert ungefähr 10 Sekunden.

  • Wiederhole die Übung mindestens 10 Mal.

 

Resonanz Atmung

Resonanz Atmung bedeutet, dass unsere Herzfrequenz, die Herzfrequenzvariabilität, der Blutdruck und die Gehirnwellenfunktion in eine gemeinsame Frequenz kommen. Dies tritt spontan auf, wenn wir mit einer Frequenz von sechs Atemzügen pro Minute atmen. Es ist die Atemfrequenz, die buddhistische Mönche und Yogis während der Meditation auf natürliche Weise erreichen.

  • Atme 4 Sekunden durch die Nase ein.

  • Atme 6 Sekunden durch die Nase wieder aus.

  • Wiederhole die Übung mindestens 10 Mal.

 

App Empfehlung: «The Breathing App» wurde von Eddie Stern und Deepak Chopra entwickelt. Für iOS (https://apps.apple.com/us/app/the-breathing-app/id1285982210 ) und Android (https://play.google.com/store/apps/details?id=org.ayny.breathingapp&hl=en )

Sama Vritti Pranayama

Bei dieser Atemübung ist die Einatmung, Ausatmung und die Atempause gleich lang. Passe die Dauer so an, dass es für dich angenehm ist. Mit der Zeit kannst du die Atemzüge und -pausen verlängern.

  • Atme durch die Nase 4 Sekunden lang ein.

  • Halte den Atem 4 Sekunden.

  • Atme durch die Nase 4 Sekunden aus.

  • Halte den Atem für 4 Sekunden.

  • Wiederhole den Zyklus mindestens 10 Mal.

 

App Empfehlung: Wenn du mit einer Anleitung die Übung machen möchtest, kannst du dir «Box Breathing App» herunterladen. Für iOS ( https://apps.apple.com/us/app/box-breathing/id930436500 ) und Andriod (https://play.google.com/store/apps/details?id=org.box_breathing.app )

 

Nadi Shodhana

Nadi Shodhana ist eine der am häufigsten geübten Atem-Techniken im Yoga und wirkt ausgleichend auf die Energiekanäle Ida und Pingala. Bei der Wechselatmung wird die linke und die rechte Seite des Körpers und des Gehirns energetisch wieder in Harmonie gebracht.

  • Nimm die rechte Hand und verschliesse mit dem Daumen das rechte Nasenloch.

  • Atme durch das linke Nasenloch langsam ein.

  • Halte kurz den Atem und verschliesse mit dem Zeigfinger das linke Nasenloch.

  • Öffne das rechte Nasenloch und atme durch dieses langsam aus.

  • Atme nun durch das rechte Nasenloch wieder ein.

  • Halte kurz den Atem und verschliess nun das rechte Nasenloch.

  • Öffne das linke Nasenloch und atme durch dieses langsam aus.

  • Wiederhole diesen Zyklus mindestens 10 Mal.

 

Ich bin gespannt, wie es dir bei den Atem-Übungen ergeht und ob du sie in deine Yogapraxis und deinen Alltag einbauen kannst. Lass es mich doch unten in den Kommentaren wissen! In der Zwischenzeit: Viel Spass mit den Übungen!

Mehr zu Julie:

Yoga verbindet für Julie all das, was sie liebt: Die Freude an der Bewegung, ihr Interesse an anderen Menschen und an der Gesundheit, ihre Faszination für Kreativität und gute Geschichten. Ihre Vision ist es, Menschen zu verbinden. Sie zu inspirieren, mit mehr Leichtigkeit, Freude und Liebe durch das Leben zu gehen – und voller Energie und mutig den eigenen Weg zu gehen.

Und so sind auch Julies Stunden: erfrischend, abwechslungsreich, kreativ und kraftvoll. Ab und zu auch erdend und ruhig. Denn ist es nicht die Vielfalt, die das Leben interessant macht? Für Julie ist alles eine Frage der Balance: zwischen Kraft und Beweglichkeit, zwischen Anspannung und Entspannung, zwischen wuseligem Alltag und ruhigen Momenten. Doch im getakteten und gestressten Leben, ist es zunehmend schwierig, die individuelle Balance zu finden.

Die Flows – gepaart mit Atemtechniken (Pranayama) und Yogaphilosophie in einer alltagstauglichen Form – ermutigen die Yogis daher, mehr im Hier und Jetzt zu leben. An sich zu glauben und dadurch über sich selbst hinaus zu wachsen. Aber auch achtsamer mit sich, der Umwelt und anderen Menschen umzugehen. Grossen Wert legt Julie auf ein sinnvolles Sequencing, das Flexibilität, Kräftigung und Mobilität vereint. Denn ein gutes Körpergefühl ist für sie ein wichtiger Baustein für ein gesundes und aktives Leben.

«Egal, ob man sich mehr Gelassenheit und Zufriedenheit wünscht, eine kleine Pause vom Alltag braucht, Freude an einem herausfordernden Workout hat, beweglicher oder stärker werden möchte: Hauptsache, wir finden wieder mehr zu uns, zu mehr Ausgeglichenheit, Leichtigkeit und Freude. Mir ist es wichtig, dass alle ihre Version von Yoga entdecken. Und diese von der Matte mit ins Leben nehmen können.»

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